Freitag, 8. Oktober 2010

3 - Der Startschuss

06.10.2010 von Michael Scherz

Beim Verteilen der Schulhefte

Um 9.00 Uhr holte uns Herr Chantol mit dem Tuktuk beim Hotel ab und brachte uns zu der etwa 7km entfernten Schule, die wir noch gut in Erinnerung hatten und die zusammen mit den Benachbarten Slums unseren Wunsch zu Helfen begründete. Bei unserer Einfahrt auf den Schulhof wurden wir von einer Gruppe neugieriger Schüler und Schülerinnen begrüßt. Nach der anschließenden Begrüßung durch Herr Direktor Leila wurden wir in einem zum Direktorenbüro umfunktionierten Klassenzimmer geführt. So saßen nun an einem großen Tisch in diesem Büro 7 Personen, der Direktor, 3 Englischlehrer, die als Dolmetscher fungieren sollten, Herr Chantol, Herr Lippold und Herr Scherz. Die Gespräche wurden eröffnet, unser Hilfsangebot und –wunsch vorgestellt. Und schon befanden wir uns in einem regen Gedankenaustausch über mögliche Projekte für die Schule auf dem Schulgelände.

Nach einer Weile, in der unsere Möglichkeiten im Rahmen unseres jungen Projektes abgesteckt wurden, verließen wir gemeinsam den Klassenraum und besichtigten das Schulgelände. Bei der Gelegenheit überreichte uns der Direktor eine selbstgezeichnete Skizze des Schulgeländes mit seiner Meinung nach geplanten zukünftigen Projekten, die mittels unserer Hilfe realisierbar seien. Darin waren zwei weitere Gebäude mit jeweils 6 Klassenräumen, ein Spielplatz, ein Verwaltungsgebäude für Direktor, Lehrer und Hausmeister sowie eine Bibliothek vorgesehen. Als Herr Direktor Laila über die Kosten der einzelnen Projekte berichtete, wurde uns klar, dass diese weit über den landesüblichen Preisen liegen. Schlagartig machte sich die Erkenntnis breit, dass wir es hier mit einem Vertreter zu tun hatten, der versuchen wird sich selbst an dem Entwicklungshilfeprojekt persönlich zu bereichern.

Nach einer Weile beschlossen wir uns zu verabschieden und in ein nahegelegenes Kaffee zu fahren um dort das gerade gesehene und gehörte zu reflektiere und um anschließend den Kontakt mit der Schule wieder aufzunehmen. Replik betrachtet konnte der Besuch bei der Schule auf 2 wesentliche Punkte zusammengefasst werden. Zusammen mit Herrn Chatol hatten wir den Eindruck, dass Herr Laila versuchen wird unser Engagement zu missbrauchen, was massiv dem von uns formulierten Hilfsgedanken, dass die eingesammelten Spendengelder auch den Hilfsbedürftigen zugute kommen sollen und 1:1 in die Projekte fließen sollen, widerspricht. Mit dem überreichten Plan wurde weiterhin deutlich, dass die Schule zu den besser ausgestatteten Schulen im Land gehört und dass die Realisierung der von dem Direktor geplanten Bauten zwar nach deutschen Standart sinnvoll, nach kambodschanischen definitiv überzogen sind. Damit kam die Gewissheit auf, dass die Schule mitsamt dem Direktor nicht zu den von uns zu unterstützenden Projekten zählen kann.

Als Herr Chantol schließlich von einem Ort berichtete, in dem die Armut so groß ist, dass dort nicht einmal ein Brunnen existiert und die Leute in der Trockenheit unter Durst leiden und zumindest der arme Teil der Dorfbewohner dann brackiges Wasser trinken muss, was regelmäßig zu Krankheiten führt, wussten wir, dass wir uns diesen Ort ansehen müssen.

Schnell entschlossen fuhren wir mit dem Tuktuk in ein Schreibwarengeschäft und kauften für die 680 Schulkinder der gerade besuchten Schule, dank der Spende von Frau Barbara Lippold, Schulhefte und Stifte. Damit bewaffnet fuhren wir immer noch in dem Tuktuk zurück zur Schule. Der Direktor war nicht mehr anwesend.

Kurzerhand wurden Schulhefte an die Schüler der Nachmittagsklassen verteilt. Die leuchtenden Augen bei dem Anblick der bunten Schulhefte und der Stifte und der im Chor gerufenen „aw kohn“, dem kambodschanischen Wort für Danke, ließen in uns das Gefühl aufkommen, dass Korruption einen Großteil der positiven Entwicklung in Kambodscha verhindert. Mit gemischten Gefühlen – begründet durch den uns korrupt erscheinenden Direktor und der dankbaren Kinderaugen für eine kleine Sachspende - und dem Versprechen von Herrn Chantol, die verbleibenden Hefte an die Schüler der Vormittagsklassen in den kommenden Tagen zu verteilen, verließen wir nun mit dem Taxi die Schule um uns auf den Weg in jenes arme Dorf zu machen.

Herr Chantol beim Verteilen der Hefte und Stifte

Prerksromot, in der Nähe von Kampong Khleang, rd. 8 km von dem See Boeng Tonle Sab und etwa 50 km auf dem Weg von Siem Reap nach Phonm Pengh ist ein Ort, der vielleicht seit 10 Jahren besteht. Er befindet sich auf beiden Straßenseiten der Straße von Dam Daek nach Kampong Khleang. Die befestigte Straße ist auf einem Damm gebaut. Der Grund hierfür ist, dass in der Regenzeit von Juni bis Oktober, der Flußpegel steigt und das gesamte Land mit mehreren Metern Wasser überflutet. Das Wasser reicht dann bis an die Seitenwände des Dammes. Als ursprünglich lediglich als sichere Verkehrsverbindung für den Ort Kampong Khleang wurden von armen Landarbeitern Häuser oder besser Hütten an den Hängen des Dammes gebaut.

Nach kurzer Besichtigung der aus Holzbrettern bestehenden Schule wurde das Haus und schließlich auch der Bürgermeister des Dorfes schnell ausfindig gemacht. Dank Herr Chantol, der bereits den ganzen Tag als Dolmetscher fungiert, konnten wir mit dem Bürgermeister Herrn Khong Hort in Kürze die wirkliche Bedürftigkeit und Armut erkennen. Auch wurde durch die Bescheidenheit, mit der Herr Khong Hort unsere Hilfe annahm deutlich, dass wir mit dem Bürgermeister einen Mann gefunden hatten, der eben nicht dem Korruptionskarussell verfallen ist.

Mit dem Bürgermeister bei der Besichtigung möglicher Brunnenstandorte

Nach Besichtigung einer möglichen Stelle an der ein Brunnen gebaut werden könnte wurde schnell klar, dass Prerksromot nicht nur ein Wasser- sondern auch ein Müllproblem hat. Aufgrund des Widerspruchs, Krankheiten der Bevölkerung durch sauberes Wasser zu vermeiden, war klar, dass diese nachhaltige Verbesserung für das Dorf nur durch eine gleichzeitige Säuberung des Dorfes von Müll und Installation einer Müllentsorgung funktionieren kann.

Der Reisedelegation in Form von Herrn Dr. Horst-G. Lippold und Herrn Michael Scherz war klar, dass die Hilfe – in Form von Brunnenbau – an die Bedingung einer einzurichtende Müllentsorgung gekoppelt sein muss. Wiedererwartend hatte sich Herr Khong Hort offensichtlich schon mit diesem Thema auseinandergesetzt. Dies liegt wohl daran, dass dazu in den vergangenen Monaten diverse Umweltberichte im kambodschanischen Fernsehen von dem Beginn der Müllentsorgung, Recycling und von Umweltschutz in Kambodscha handelten.

Nach den Angaben von Herrn Kong Hort gibt es einen Ort, an dem der Müll des Dorfes gesammelt werden kann. Dieser ist allerdings nur über dem Wasserweg in der Regenzeit zu erreichen. Dafür müsste ein Boot gekauft werden. Der Wert des Bootes liegt zwischen $ 450 und $ 500. Herr Khong Hort versprach, wenn er das Boot bekommt, dann würde er für die Müllentsorgung im Rahmen einer Bürgerinitiative sorge tragen. Er schlug vor, dass der erste Brunnen, auf dem Platz vor der Schule gebaut werden soll. Dann hätten die Kinder in der Schule als erstes sauberes Wasser. Ein Brunnen mit handbetriebener Pumpe, d.h. eine Bohrung mit Rohrverkleidung, Sockel aus Zement wird mit rd. $ 250 bis $ 300 veranschlagt.

Mit verhältnismäßig wenig Aufwand, in Höhe von rd. $ 1.400,00 können in dem Dorf zunächst 3 Brunnen gebaut und die Grundlage für eine Müllentsorgung etabliert werden. Nach kurzer Einschätzung der Möglichkeiten der sich in den Kinderschuhen befindenden Entwicklungshilfeprojektes, kamen wir zu der Überzeugung, dass dieses Geld im Rahmen von Spendensammelaktionen bis zum nächsten Besuch von Herrn Prof. Lippold mit 2 Studenten von der RFH am 19.02.2011 gesammelt werden kann.

Als wir Herrn Kong Hort von unserer Planung berichteten, dass wir die ersten Brunnen noch vor der nächsten Trockenperiode baue werden konnte man erkennen, dass seine Augen vor Freude ein wenig feucht wurden.

Nun gilt es die Vorbereitungen zu treffen. Der Bürgermeister wird sich darum kümmern, dass ein geeignetes Boot zum Kauf bereit steht. Außerdem will er jeweils für 4 Häuser einen Abfallbehälter aufstellen in denen der Müll gesammelt werden soll. Die Firmen, die den Brunnenbau vornehmen können werden durch den Bürgermeister kontaktiert, so dass am 19.02.2011 diese Brunnen gebaut und die Müllentsorgung eingeleitet werden können.

Nach herzlicher Verabschiedung fuhren die selbsternannten Entwicklungshelfer mit gutem Gefühl zurück nach Siem Reap, mit der Gewissheit, dass die zu leistende Hilfe wirklich arme Menschen trifft und nicht in den unendlichen Sumpf der kambodschanischen Korruption zu versinken droht. Das an dem Abend anstehende Bier sollte uns hervorragen schmecken.

Michael Scherz

2 - Unsere Hinreise nach Kambodscha

Montag, den 4.10.2010

Horst-G. Lippold


Abfahrt in Poipet

Unser Abenteuer begann am Montag, den 4. 10.2010 gegen 7 Uhr morgens mit der Bahnfahrt zum Frankfurter Flughafen, um von dort über Abu Dhabi nach Bangkok zu fliegen. Planmäßig sollten wir gegen 7 Uhr Ortszeit (5 Stunden Zeitverschiebung) am nächsten Morgen dort ankommen. Da der Anschlussflug in Abu Dhabi aber mehr als zwei Stunden Verspätung hatte, kamen wir entsprechend erst um 9 Uhr morgens in Bangkok an und hatten den Bus vom Flughafen an den kambodschanischen Grenzübergang Poipet schon verpasst.

Also mussten wir den Umweg über Bangkoks nördlichen Busbahnhof Mo-chit nehmen und starteten gegen halb zwölf die 4 ½ -stündige Fahrt zur Grenze, wo wir uns mit Herr Chantol verabredet hatten. Herrn Chantol kannten wir als Reiseleiter von der letzten RFH-Studienfahrt, wo er mit dem von ihm initiierten Schulbesuch in dem Armenviertel überhaupt erst den Anstoß zu unserem Projekt gegeben hatte.

Jedenfalls nahm uns der besagte Herr Chantol nach Abwicklung aller Grenzformalitäten gegen 17 Uhr auf der kambodschanischen Seite in Empfang und wir konnten die zweistündige Schlussetappe nach Siem Reap mit dem ersten kühlen Bier beginnen. Nach 31-stündiger Reise (7 to 7 from dawn to dusk) sind wir dann endlich im Hotel angelangt und konnten das kulinarische Abendprogramm mit Amok und anderen Spezialitäten sowie isotonischem Gerstensaft beginnen.

Tja, das war ein langer und anstrengender Ritt, aber wie heißt es so schön:

„nichts Lohnendes ist leicht zu haben“ und ich hoffe, dass wir ab morgen richtig mit unserem Projekt loslegen können.

In dem Sinne:

And if I don´t see you:

Good afternoon, good evening and good night.

Horst-G. Lippold


1 - Die Idee und der Beginn unseres Hilfsprojekts

Sonntag, den 3.10.2010

Horst-G. Lippold


Vor dem Schulgebäude in Siem Reap

Auf der letzten RFH-Studienfahrt Anfang 2010 in die Tigerstaaten hatten wir die Gelegenheit, die großartigen Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha zu besuchen. Im Anschluß an unsere Besichtigungstour besuchten wir auf Empfehlung unseres Reiseleiters Herr Chantol noch eine Schule in einem Armenviertel von Siem Reap und danach ebendas Armenviertel, wo ein Großteil der Schulkinder wohnt. Diese anderthalb Stunden haben bei allen Beteiligten so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass der spontane Wunsch entstand, im Rahmen unserer Möglichkeiten diesen Kindern zu helfen.

Ich denke, dass persönliche Betroffenheit als Auslöser für den Wunsch zur Hilfe oft nur über persönliches Erleben bzw. wie bei uns über den Besuch der Schule und das Kennenlernen der Kinder entstehen.

Kambodscha gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und leidet immer noch unter den Nachwehen des Bürgerkriegs und des Genozids unter den Roten Khmer. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung hat durch das Fehlen von Wasserwerken und Wasserleitungen bzw. Wasserbrunnen keinen Zugang zu sauberem (Trink-)Wasser, was zusammen mit einer überwiegend fehlenden Abfallwirtschaft bzw. wilder Müllentsorgung im Wohnumfeld eine häufige Ursache für Krankheiten und vorzeitige Sterblichkeit bildet. Eine teilweise fehlende bzw. unzureichende medizinische Versorgung verstärken diese Problematik.

Des weiteren gibt es durch zuwenig Schulgebäude bzw. Klassenräume massive Engpässe im Bildungsbereich, die selbst in bestehenden Schulen oft zur Unterteilung in Klassen mit Schulunterricht am Morgen und Klassen mit Unterricht an den Nachmittagen führt. Die meist unzureichende Ausstattung mit Lehrmaterialien wie Schulbüchern und die für ärmere Familien vergleichsweise hohen Kosten für Schulmaterialien wie Hefte, Stifte, Taschen etc. runden dieses Bild ab. Trotz bestehender Schulpflicht wird der tatsächliche Schulbesuch von den Behörden im übrigen nicht durchgesetzt, was man sich anhand der vielen sehr jungen Souvenirverkäufer in den Tempeln um Angkor Wat gut verdeutlichen kann.

Die im Land tätigen Hilfsorganisationen engagieren sich deshalb oft beim Bau von Wasserbrunnen, Schulen, Krankenhäusern, Waisenhäusern und ähnlichen Infrastrukturprojekten.

Nach der Rückkehr von unserer Studienreise nach Köln haben wir uns mehrere Male im kleinen Kreis getroffen, um zu beratschlagen, wie wir unser Hilfsprojekt starten und organisieren können. Problematisch sind dabei die kulturelle und sprachliche Barriere und die Entfernung von Deutschland nach Kambodscha verbunden mit der Notwendigkeit, zumindestens gelegentlich vor Ort unser Projekt steuern.

Unsere Zielsetzung ist es, dass unsere Anstrengungen und gesammelte Hilfsgelder ohne „Verwaltungskosten“ und trotz gut bekannter Korruption und Vetternwirtschaft in Kambodscha direkt und ohne Abzüge bei den bedürftigen Menschen ankommen. Wir möchten wir uns nicht finanziell in bestehende Hilfsprojekte einbringen, sondern die Umsetzung unserer Ziele persönlich mit unserem eigenen Hilfsprojekt sicherstellen. Für die genannten gelegentlichen Reisen nach Kambodscha bedeutet das beispielsweise, dass die jeweiligen Reiseteilnehmer auf eigene Kosten reisen müssen.

Es stellte sich auch die grundsätzliche Frage, wo – abgesehen von der uns bekannten Schule - und mit welcher Art von Hilfsprojekt wir konkret beginnen könnten.

Es erschien uns daher logisch, dass ein oder zwei Teilnehmer der alten Reisegruppe nochmals nach Kambodscha reisen müssten, um in Siem Reap die Möglichkeiten insgesamt zu prüfen. Durch diverse Telefonate mit Herrn Chantol und dem Direktor der von uns besuchten Schule wussten wir von dem dringenden Wunsch u.a. nach Schulbüchern und Schulmaterialien wie Heften und Stiften. Diesen Wunsch wollten wir nach Möglichkeit schon bei unserer Erkundungsreise erfüllen und haben deshalb einen ersten provisorischen Flyer über unser Vorhaben entworfen, gedruckt und verteilt, um bis zum Reisebeginn wenigstens etwas Geld dafür sammeln zu können.

Die Herren Michael Scherz und Prof. Dr. Horst-G. Lippold werden Anfang Oktober auf eigene Kosten diese einwöchige Erkundungsreise nach Kambodscha unternehmen, um wieder die Schule in Siem Reap zu besuchen und im Rahmen des finanziell machbaren mit Schulmaterialien zu versorgen und im Idealfall mit einem konkreten Hilfsprojekt zu beginnen. Falls ein solches Hilfsprojekt realisierbar erscheint, soll ein gemeinnütziger Verein gegründet werden, um unser Vorhaben zu institutionalisieren und auch Spendenquittungen für diejenigen ausstellen zu können, die uns hierbei finanziell unterstützen wollen.

Wir werden den Fortgang der Dinge in diesem Blog und zu gegebener Zeit vermutlich auch auf einer eigenen Homepage dokumentieren.

Horst-G. Lippold